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Der Aufstieg des Context Engineering: Die nächste Stufe der KI-Anwendungen

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Große Sprachmodelle (Large Language Models, LLMs) wie GPT-4 haben die Art und Weise, wie wir mit Technologie interagieren, revolutioniert. Doch wer ernsthafte, unternehmensreife Anwendungen mit ihnen baut, stößt schnell an ihre Grenzen:

  1. Wissenslücke: LLMs haben ein „Wissens-Stoppdatum“ und kennen keine Ereignisse, die danach stattgefunden haben.
  2. Mangel an privatem Wissen: Sie haben keinen Zugriff auf interne Unternehmensdokumente, Datenbanken oder E-Mails.
  3. Halluzinationen: Wenn sie eine Antwort nicht kennen, neigen sie dazu, Fakten zu erfinden.

Die gängigste Lösung für diese Probleme ist die Retrieval-Augmented Generation (RAG). Das Prinzip ist einfach: Anstatt das LLM direkt zu fragen, sucht ein System zuerst in einer Wissensdatenbank (z. B. Unternehmensdokumenten) nach relevanten Informationen und stellt diese dem LLM zusammen mit der ursprünglichen Frage als Kontext zur Verfügung.

Doch hier beginnt die eigentliche Herausforderung. Einfach nur beliebige Dokumente in den Kontext zu „stopfen“, führt oft zu mittelmäßigen Ergebnissen. Die Qualität der Antwort eines LLM hängt direkt von der Qualität des bereitgestellten Kontexts ab. Und genau hier setzt eine neue, entscheidende Disziplin an: das Context Engineering.

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Was ist Context Engineering?

Context Engineering ist die Kunst und Wissenschaft, den für ein LLM bereitgestellten Kontext so zu strukturieren, zu filtern und zu optimieren, dass das Modell die bestmögliche Antwort generieren kann. Es geht weit über eine einfache semantische Suche hinaus und betrachtet den gesamten Prozess der Informationsbereitstellung als eine Ingenieursdisziplin.

Man kann es so vergleichen:

  • Prompt Engineering ist die Kunst, dem LLM die richtige Frage zu stellen.
  • Context Engineering ist die Kunst, dem LLM die perfekte Wissensgrundlage für die Beantwortung dieser Frage zu liefern.

Nach dem Prinzip „Garbage in, Garbage out“ führt schlechter oder irrelevanter Kontext unweigerlich zu schlechten oder ungenauen Antworten. Gutes Context Engineering hingegen maximiert die Relevanz, reduziert Halluzinationen und ermöglicht es dem LLM, präzise und fundierte Antworten zu geben, die sich sogar auf Quellen beziehen können.

Die drei Säulen des Context Engineering

Context Engineering ist kein einzelner Schritt, sondern ein mehrstufiger Prozess, der sich in drei Kernbereiche unterteilen lässt:

1. Indexierung (Indexing): Die Vorbereitung der Wissensbasis

Bevor Informationen überhaupt abgerufen werden können, müssen sie für das KI-System verständlich und durchsuchbar gemacht werden. Die Indexierung ist die Grundlage für jede gute RAG-Anwendung. Wichtige Techniken sind hier:

  • Chunking (Segmentierung): Dokumente werden in kleinere, überschaubare Abschnitte („Chunks“) zerlegt. Die Größe und Überlappung dieser Chunks hat einen enormen Einfluss auf die spätere Qualität des Kontexts.
  • Embedding-Erstellung: Jeder Chunk wird in einen Vektor (ein „Embedding“) umgewandelt, der seine semantische Bedeutung repräsentiert. Die Wahl des Embedding-Modells ist hier entscheidend.
  • Metadaten-Anreicherung: Jedem Chunk werden wichtige Metadaten hinzugefügt (z. B. Quelle, Datum, Autor, Kapitel). Diese Metadaten sind später für das Filtern und Sortieren unerlässlich.
  • Hierarchische und grafische Strukturen: Anstatt Dokumente nur als eine flache Liste von Chunks zu behandeln, können Beziehungen zwischen ihnen (z. B. in einer Graph-Datenbank) abgebildet werden, um komplexere Abfragen zu ermöglichen.

2. Retrieval (Informationsabruf): Die Suche nach den Nadeln im Heuhaufen

Dies ist das Herzstück des RAG-Prozesses. Ziel ist es, aus der riesigen Wissensbasis genau die Informationen zu finden, die für die Nutzerfrage am relevantesten sind. Primitive Ansätze nutzen nur eine einfache Vektorsuche. Modernes Context Engineering setzt auf fortschrittlichere Methoden:

  • Transformation der Suchanfrage (Query Transformation): Die ursprüngliche Frage des Nutzers wird oft umformuliert oder erweitert, um bessere Suchergebnisse zu erzielen. Beispiele sind:
    • HyDE (Hypothetical Document Embeddings): Ein LLM generiert eine hypothetische „perfekte“ Antwort auf die Frage, und diese wird dann zur Suche nach ähnlichen realen Dokumenten verwendet.
    • Multi-Query: Das LLM formuliert mehrere Varianten der ursprünglichen Frage, um die Suche aus verschiedenen Blickwinkeln durchzuführen.
  • Semantische Suche und Keyword-Suche: Die Kombination aus moderner Vektorsuche (semantisch) und traditioneller Keyword-Suche (lexikalisch) liefert oft die robustesten Ergebnisse.
  • Filtern nach Metadaten: Die Suche wird von vornherein auf bestimmte Dokumente eingeschränkt (z. B. „suche nur in Dokumenten, die nach 2023 erstellt wurden“).

3. Post-Processing (Nachbearbeitung und Ranking): Die Veredelung des Kontexts

Nachdem eine erste Auswahl an potenziell relevanten Dokumenten-Chunks gefunden wurde, muss dieser Kontext veredelt werden, bevor er an das LLM geht. Zu viel irrelevanter „Lärm“ im Kontext kann das LLM verwirren und die Antwortqualität verschlechtern.

  • Re-Ranking: Ein kleineres, schnelles Sprachmodell bewertet die Relevanz der abgerufenen Chunks neu und sortiert sie um. So landen die wichtigsten Informationen an erster Stelle.
  • Filterung und Komprimierung: Irrelevante Dokumente werden entfernt. Wichtige, aber lange Dokumente können von einem LLM zusammengefasst werden, um nur die Kernaussagen in den finalen Kontext zu übernehmen.
  • Kombination von Ergebnissen: Informationen aus verschiedenen Quellen werden intelligent zusammengefügt, um eine umfassende, aber dennoch prägnante Wissensgrundlage zu schaffen.

Fazit: Context Engineering als entscheidender Erfolgsfaktor

Während sich die öffentliche Diskussion oft nur um das nächste, noch größere LLM dreht, findet die eigentliche Innovation für praxistaugliche KI-Anwendungen im Hintergrund statt. Context Engineering entwickelt sich von einer Nische zu einer Kernkompetenz für KI-Entwickler und Unternehmen.

Plattformen wie LangChain und LlamaIndex stellen bereits heute ein umfassendes Arsenal an Werkzeugen für jede Phase dieses Prozesses bereit. Der Erfolg zukünftiger KI-Anwendungen wird nicht nur von der Intelligenz des Sprachmodells abhängen, sondern maßgeblich von der Raffinesse und Effektivität der dahinterliegenden Context-Engineering-Pipeline. Wer heute in dieses Wissen investiert, baut die besseren und zuverlässigeren KI-Lösungen von morgen.

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